Montag, 28. April 2008

Geoarchäologie- Wüstenränder – Brennpunkte der Kulturentwicklung


















Brennpunkte der Kulturentwicklung. Aus Sicht der Geoarchäologen verdanken wir die Pyramiden von Gizeh auch einem globalen Temperaturrückgang vor gut 6000 Jahren. Zunehmende Trockenheit zwang immer mehr Menschen in die Flussoase des Nils. Bewässerungstechniken, Verwaltung und neue Gesellschaftsstrukturen mussten entwickelt werden. Bild: © Nasa, GSFC, Modis, Jeff Schmaltz

Globaler Klimawandel zwang unsere Vorfahren zu Anpassungen, am Rand der großen Wüsten entstanden dabei Hochkulturen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Mai 2008

Wüstenränder – Brennpunkte der Kulturentwicklung Globaler Klimawandel zwang unsere Vorfahren zu Anpassungen, am Rand der großen Wüsten entstanden dabei Hochkulturen. Ungewohnt milde Winter, extrem heiße Sommer – unser Klima verändert sich, Ausmaß und Folgen des Wandels lassen sich noch kaum absehen. Wie dramatisch eine solche Entwicklung die Menschheit beeinflussen kann, berichtet »Spektrum der Wissenschaft« in seiner Mai-Ausgabe: Vor etwa 18000 Jahren erwärmte sich die Erde, das Ende der letzten große Eiszeit nahte. Innerhalb von neun Jahrtausenden kletterte die globale Durchschnittstemperatur von weniger als 10 auf 15 Grad Celsius (eine Erhöhung des derzeitigen weltweiten Mittelwerts um 1,1 bis 6,4 Grad innerhalb des 21. Jahrhunderts halten Experten für möglich). In vielen Regionen verbesserten sich die Lebensbedingungen, doch dramatische Kälteeinbrüche stürzten die Menschen immer wieder in existentielle Krisen. Indem sie diese meisterten, lernten sie – und entwickelten Hochkulturen wie den Pharaonenstaat am Nil.

Eine kalte Atmosphäre kann weniger Wasser aufnehmen als eine warme, über den Meeren aufsteigender Wasserdampf wird nicht so weit ins Innere der Kontinente verfrachtet. Mit Wärme wurde es deshalb auch feuchter. Wo zuvor Grasland gedieh, breitete sich Wald aus, am Rande der Wüsten hingegen entstanden neue Savannen. Im Bereich der heutigen Sahara bildeten sich sogar ausgedehnte Seen, die Namib-Küstenwüste war nur etwa halb so schmal war wie heute.

Für die Bewohner Afrikas war dies eine dramatische Entwicklung, denn die Herden ihrer Beutetiere folgten den Savannen, die Menschen zogen mit ihnen. Doch die neuen Lebensräume waren beschränkt und bei wachsender Bevölkerungsdichte schrumpften die Wildbestände. Dies zwang die Jäger- und Sammlergemeinschaften zu einer Innovation: der Viehzucht.

Als sich der Erwärmungstrend in der Zeit des Atlantikums (9250 – 5650 vor heute) umkehrte, kehrten die Wüsten kehrten. Viele Sippen verließen mit ihren Herden die Sahara und folgten den Savannen nach Süden, andere ließen sich in Oasen nieder. Insbesondere die Flussoase des Nils zogen immer mehr Menschen an. Sie lebten vom Fischfang, der Jagd und dem Sammeln nahrhafter Pflanzen, mehr und mehr aber vom Getreideanbau und von der Weidewirtschaft. Doch der fruchtbare Uferstreifen genügte nicht, die wachsende Zahl an Menschen zu ernähren. Die nächste Innovation stand an: der Bewässerungsfeldbau.

Einmal angestoßen, kam das Rad der Geschichte in Bewegung. Dörfer wuchsen zu Städten, Arbeit musste organisiert werden und Hierarchien entstanden. Schließlich ging aus dieser Entwicklung eine der ältesten Hochkulturen der Menschheit hervor: das Reich der Pharaonen. Mögen wir heute auch staunend vor den Pyramiden von Gizeh stehen, es sind Grabstätten. Geschaffen von einer Gesellschaft, die gezwungen war, sich an eine globale Klimaveränderung anzupassen. Niemand weiß, welche Leistungen der Menschheit im 21. Jahrhundert abverlangt werden.