Montag, 28. Januar 2008

Wozu neue Kernwaffen?














Foto: © US Department of Energy/NNSA - Nevada Site Office

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Februar 2008

Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren beabsichtigt die US-Regierung, einen neuen Nuklearsprengkopf zu produzieren. Das Vorhaben wirft eine Fülle von Fragen auf, die von seinen Befürwortern mit manchem zweifelhaften Argument beantwortet werden. Das Grundproblem jedoch ist klar: Das rund 10.000 Atomwaffen umfassende Arsenal der USA kommt in die Jahre. Möglicherweise, so heißt es, würden die alternden Sprengköpfe nach jahrelanger Lagerung nicht mehr optimal funktionieren. Das betrifft vor allem die W76-Gefechtsköpfe und damit rund ein Drittel des Bestands: 2008 werden die ersten von ihnen 30 Jahre alt und erreichen damit das Ende ihrer geplanten Lebensdauer.

In seinem Beitrag „Wozu neue Kernwaffen?“, der in der Februarausgabe von Spektrum der Wissenschaft erscheint, berichtet Scientific-American-Autor David Biello, wo derzeit die Fronten in der Debatte über das Atomarsenal der USA verlaufen. Das Programm für den Reliable Replacement Warhead (RRW, zuverlässiger Ersatzsprengkopf) startete bereits im Jahr 2004. Im März 2007 erhielt das Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien den Zuschlag für die Konstruktion eines neuen Nuklearsprengkopfs. Und schon 2012 könnte die Produktion beginnen.

Die Befürworter des Baus neuer Bomben führen zum Beispiel an, dass die neue Waffe keine Tests erfordere, weil sie im wesentlichen auf existierenden Designs beruhe. Zudem werde der neue Sprengköpf größer und schwerer und daher weniger fehleranfällig sein. Auch für die Zündungsmechanismen würden andere Materialien eingesetzt, die auch bei Stoß oder Hitze nicht unbeabsichtigt explodieren. Und schließlich käme der neue Gefechtskopf ohne manche der häufig in Waffen verwendeten toxischen Substanzen aus, zum Beispiel ohne das Krebs erzeugende Metall Beryllium.

Die Gegner des Rüstungsprogramms halten indessen dagegen. Auch hundert Jahre altes Plutonium, so ergaben Studien, würde die Funktionsweise der Waffen nicht beeinträchtigen. Laut SORT-Vertrag müssen die USA ihre Arsenale ohnehin reduzieren. Und auch Bruce Goodwin, stellvertretender Direktor für Verteidigungs- und Nukleartechnik am Livermore-Laboratorium, fragt: „Will man erneut in oft extrem unangenehme Technologien investieren? Oder will man mit kleinstmöglichem Aufwand ein ganz anderes viel kleineres Abschreckungsarsenal unterstützen?“

Doch technische und ökonomische Fragen berühren das eigentliche Problem nur am Rande. Wollen die USA der Welt mit neuen Konstruktionsentwürfen, Investitionsplänen, subkritischen Tests im Untergrund der Wüste von Nevada und einem Milliarden Dollar teuren Laserlabor, in dem sich kernwaffenähnliche Fusionsbedingungen simulieren lassen, tatsächlich das Signal senden, dass sich die atomare Rüstungsspirale wieder weiterdreht?

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