Donnerstag, 14. April 2011

Doktor Eisenbarth war ganz anders













Berühmt und berüchtigt: Doktor Eisenbarth begrüßt die Besucher im Museum in seiner oberpfälzischen Geburtsstadt Oberviechtach. Foto: obx-news


Späte Ehre für Doktor Eisenbarth: Ausstellung beweist - Chirurgen in aller Welt arbeiten noch heute mit Instrumenten, die der in Ostbayern geborene, viel geschmähte Medicus erfunden hat.

Oberviechtach (obx - welt-des-wissens) – Er wurde verlacht und diffamiert. Generationen von Kindern sangen das Spottlied über ihn, den „Wunderdoktor“ Eisenbarth. Doch der angebliche Scharlatan, der vor rund 250 Jahren auf Jahrmärkten als Heiler sein Geld verdiente, war ganz anders – sagen die Historiker heute. Ärzte auf der ganzen Welt, so die Forscher, profitieren bis heute vom Erfindungsgeist des im Oberpfälzischen Oberviechtach geborenen Medicus. Johann Andreas Eisenbarth hat Meilensteine bei der Entwicklung moderner chirurgischer Instrumente gesetzt. Er erfand die Urmodelle jener Zangen, Sägen, Sonden und Skalpelle, mit denen Chirurgen noch heute im Operationssaal arbeiten. Seine Geburtsstadt hat ihrem großen Sohn ein Museum gewidmet, in dem man die blutigen und schmerzhaften Anfänge der Chirurgie hautnah studieren kann.

Gab es ihn wirklich oder war es nur ein skurriles Märchen, die blutige Lebensgeschichte des Dr. Eisenbarth, der die Leut‘ auf seine Art kurierte? Erst in den 60er-Jahren konnten Historiker die Existenz des Arztes zweifelsfrei nachweisen. Auch deshalb hat die Kleinstadt Oberviechtach in der Oberpfalz ihrem berühmtesten Sohn ein Museum eingerichtet, wo heute Literatur, Dokumente und alte Operationswerkzeuge das Wirken des Medicus belegen und dokumentieren.

Ein „Gott in weiß“ ist er wahrlich nicht gewesen, aber ein begnadeter Selbstdarsteller: Ein Werbeverbot, wie es heute für Mediziner in ganz Deutschland gilt, gab es zu Zeit von Eisenbarth nicht. Um sich gegen Wettbewerber zu behaupten, musste er auf den Tourneen durch Deutschland mit seinen Künsten prahlen. In Glanzzeiten hatte der exzellente Selbstdarsteller ein Heer von 120 Bediensteten, die sein Kommen mit Flugblättern und Anzeigen ankündigten und auf Erfolge wie einen operierten 164 Gramm Blasenstein verwiesen. Bei seinen „Auftritten“ trat er mit Trommelwirbel und Fanfaren auf die Bühne. Feuerspucker, Degenschlucker und schöne Frauen gehörten zum publikumswirksamen Rahmenprogramm.

Die Historiker glauben, dass es gerade diese unkonventionellen Werbemethoden waren, die Eisenbarth bis heute im schiefen Licht erscheinen lassen. Fakten zeigen aber, dass die Schmähungen der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Die Gerätschaften und die Medizin, die Johann Andreas Eisenbarth entwickelte, gehören zu den Grundlagen der heutigen Medizin. Zu den bekanntesten Operationswerkzeugen von Eisenbarth zählen riesige Knochensägen, Schädelbohrer und eine Polypenschaufel. Auch Rezepturen hat der findige Medicus schon damals angemischt, wie Theriak, ein Allheilmittel aus früheren Zeiten, das es noch heute in ähnlicher Form als Eisenbarth-Elixier gibt.

Schmerzen konnte der Medicus den Patienten bei seinen Eingriffen, wie dem beliebten „Steinschneiden“, aber trotzdem nicht ersparen. Narkosen kannte man damals noch nicht, deshalb wurden bei den meist öffentlich durchgeführten Operationen die Schmerzensschreie der Patienten mit lauter Musik übertönt.

Im Eisenbarth-Museum in Oberviechtach wird das Geschehen aus jenen Zeiten lebendig, in der die Chirurgie noch in ihren blutigen Kinderschuhen steckte. Die Sammlung, spannend, informativ, aber gelegentlich auch gruselig wie eine Folterkammer, öffnet ab Mai wieder ihre Pforten. Außerdem ehrt Oberviechtach seinen berühmten Sohn alljährlich mit den Doktor-Eisenbarth-Festspielen (23. Juni bis 9. Juli). In einer aufwändigen Inszenierung mit prächtigen Kostümen erwecken rund 120 Akteure in einem vergnüglichen und fesselnden Festspiel den berühmten Arzt des Barock in seinem Geburtsort Oberviechtach wieder zum Leben.

Mehr Informationen zum Doktor-Eisenbarth-Museum und den Festspielen gibt es im Internet unter http://www.oberviechtach.de.
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