Mittwoch, 30. Juli 2008

Prschewalskipferde: Auch Urwildpferde halten Winterschlaf

Wenn Energie im Winter knapp wird, drosseln sie ihren Stoffwechsel

Aus: Spektrum der Wissenschaft, 8/2008 August 2008

So gut wie Murmeltiere können die Prschewalski- oder Urwildpferde es nicht. Aber wenn es nötig ist, gönnen sie sich Energiepausen – stundenweise lassen sie ihren Körper in der kalten Jahreszeit gewissermaßen Winterschlaf halten. Das fand ein Team um Regina Kuntz an der Veterinärmedizinischen Universität Wien heraus. In der August-Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft“ schildert die Forscherin, wie sie und ihre Kollegen am dortigen Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie bei einer Herde dieser Pferde am Neusiedler See auf das verblüffende Phänomen stießen.

Den Anstoß hatte eine Entdeckung des Institutschefs Walter Arnold gegeben: Rothirsche fahren im Laufe des Winters ihre Körpertemperatur und ihren Stoffwechsel um etliche Grad herunter. Aber sie tun noch mehr. Denn immer wieder drosseln sie die äußere Körpertemperatur zusätzlich für einige Stunden.

Prschewalskipferde waren Mitte des 20. Jahrhunderts in ihrer Urheimat Zentralasien ausgestorben. Nur in einigen Zoos hatten wenige Vertreter dieses letzten echten Wildpferds überlebt. Seit den 1990er Jahre gelingt es jedoch, sie in der Mongolei wieder auszuwildern. Etwa 220 dieser Pferde streifen dort schon frei umher – sie haben auch bereits mehrere Dutzend Fohlen hervorgebracht.

Skeptiker dieser Auswilderungsprojekte hatten kritisiert, dass die ausgewählten Tiere aus den westlichen Zoos die langen extremen Winter Innerasiens, die wenig Nahrung bieten, niemals aushalten würden. Sie hatten sich geirrt. Selbst die Optimisten staunten allerdings, wie problemlos die Urwildpferde von Anfang an die Schneestürme und Temperaturen von bis zu Minus 40 Grad Celsius überstanden.

Wie Regina Kuntz beschreibt, verstehen Prschewalskipferde ihren Stoffwechsel und somit Energieverbrauch harschen Umweltbedingungen anzupassen. Sie stellen sich auf den Winter in vieler Hinsicht ein – einerseits, indem sie sich vorher dicke Speckrollen zulegen; aber merkwürdigerweise auch, indem sie weniger fressen, als sie es unter hiesigen Bedingungen könnten, übrigens auch viel weniger als im Sommer. Parallel dazu bewegen sich die Pferde im Winter besonders wenig. Und vor allem sparen sie Energie ein, indem sie ihren Körper um mehrere Grad weniger heizen. Selbst das Herz schlägt dann viel langsamer.

Am erstaunlichsten aber: Die Wildpferde im Nationalpark am Neusiedler See verordneten sich zusätzlich zu alldem noch besondere Energiesparstunden. Dann ließen sie sich außen manchmal stundenlang noch mehrere Grad weiter abkühlen. Die tiefste Temperatur, die Regina Kuntz und ihre Kollegen bei einem Pferd mit speziellen Telemetriesendern unter der Haut maßen, betrug unter 25 Grad Celsius.

Nach Ansicht der Wiener Forscher haben die Physiologen bisher unterschätzt, wie weit derartige Anpassungen verbreitet sind – Mechanismen, die durchaus Vorgängen beim echten Winterschlaf ähneln, wie ihn Murmeltiere, Hamster oder Igel halten. Wahrscheinlich können viele Säugetiere sich für widrige Zeiten einrichten, indem sie auf Energiesparen umschalten.