Montag, 19. Mai 2008

Warum zahlen Männer für Sex?













Warum zahlen Männer für Sex? Während manche Psychologen gekauften Sex als gelebte Machtfantasien werten, halten andere die Freier für verhinderte Romantiker. Bild:
© Gehirn&Geist/Casper Sessler & Yannik Wegner


Aus: Gehirn&Geist, Juni 2008

Verhinderte Romantiker oder chauvinistische Frauenverachter? Psychologen erklären, warum Männer für Sex zahlen. Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kommt es allein in Deutschland täglich zu mehr als einer Million Sex-Kontakten zwischen männlichen Kunden und den Anbieterinnen professioneller Liebesdienste. So unterschiedlich die Prostitutionsgesetze im internationalen Vergleich, so verschieden fallen auch die Meinungen von Forschern darüber aus, was für ein Typ Mensch Freier sind: Vom verklärten Bild verschmähter Liebessucher bis zu rachsüchtigen Frauenschändern reicht die Palette, wie die neue Ausgabe von Gehirn&Geist (6/2008) berichtet.

In Deutschland ist unter Wissenschaftlern die Ansicht verbreitet, der Sex-Käufer sei eine Art »Jedermann« mit Hang zur Romantik, dem das Liebesspiel mit seiner eigentlichen Partnerin nicht so recht glücken will. Auch der lebensfrohe Hedonist, der im Rotlichtmilieu seine erotischen Fantasien auslebt oder der sexuell Enttäuschte, für den der Verkehr mit einer Prostituierten »kompensatorische Funktion« hat, passt hier zu Lande ins Bild der Forscher. Kein Wunder, ist Prostitution doch in Deutschland erlaubt, wenn sie auch staatlichen Kontrollregeln unterliegt.

Ganz anders in den USA (mit Ausnahme von Nevada) oder Schweden: Hier können sowohl Sex-Dienstleister als auch Konsumenten strafrechtlich verfolgt werden. Umso radikaler fallen die Ansichten im angloamerikanischen Sprachraum aus: Die Soziologin Julia O’Connell Davidson von der britischen University of Nottingham etwa sieht die wahren Motive der Freier darin, sich an Frauen rächen zu wollen oder sie zu kontrollieren. O’Connell Davidson geht sogar so weit, Prostituierte als sozial »tote« Frauen zu bezeichnen und ihre Kunden der Nekrophilie zu bezichtigen, also eines Triebs in Bezug auf Leichen.

Bei allem Forscherzwist – bisherige Erkenntnisse lassen nicht den Schluss zu, dass es bestimmte Sozialcharakteristika gebe, die Freier von anderen Männern unterscheiden.