Dienstag, 27. Mai 2008

Die chaotische Geburt der Planeten

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2008

Lange glaubte man, die Entstehung von Planeten sei ein vorgezeichneter Prozess, der zu einem absehbaren Ergebnis führt. Am Anfang stehe eine formlose Gas- und Staubscheibe, die sich nach und nach in einem wohlgeordneten, deterministischen Prozess zu einem Planetensystem ähnlich dem unserem verdichte. In der Juni-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet Douglas N.C. Lin, renommierter Astrophysiker und Gründungsdirektor des Kavli-Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität von Peking, nun darüber, dass Forscher mittlerweile von ganz anderen Szenarien ausgehen.

Es hat sich nämlich gezeigt, dass dieser Prozess viel ungeregelter als gedacht abläuft und in jedem Sonnensystem zu einem anderen Ergebnis führt. Die Planeten, die daraus schließlich hervorgehen, sind die Überlebenden eines tumultartigen Nebeneinanders von Wachstum und Zerstörung. Etliche Welten überstehen dieses Chaos nicht: Gerade erst gebildet, stürzen sie in ihren Stern, werden zertrümmert oder hinaus in den Weltraum geschleudert. Auch die Erde hatte womöglich einst Geschwister, die – in die Tiefen des Alls katapultiert – heute durch finstere Leere driften.

Am meisten Unterstützung in der heutigen Planetenforschung genießt Lin zufolge das Szenario der stufenweisen Akkretion. Es postuliert, dass am Anfang winzige Staubkörnchen stehen, die sich nach und nach zusammenlagern, bis sich daraus feste Gesteinsklumpen bilden. Diese Klumpen ziehen im weiteren Verlauf entweder gewaltige Gasmengen an und entwickeln sich zu Gasriesen wie Jupiter; oder aber sie binden kein Gas an sich und wachsen zu Gesteinsplaneten wie der Erde. Dieses Szenario hat indessen ein wichtiges Problem: Gasplaneten entstünden auf diese Weise nur sehr langsam und wären möglicherweise nur sehr selten, da die Scheibe unter Umständen vor Fertigstellung des Planeten das Gas verliert. Dies wirft aber unter anderem die Frage auf, warum Gasplaneten recht häufig sind.

Um Fragen wie diese endgültig zu beantworten, stecken Astronomen mittlerweile sehr viel Zeit in die Suche nach erdähnlichen Planeten, die um fremde Sonnen kreisen. „Bis jetzt haben die Astronomen nur Planeten von Jupiter- oder Neptunformat entdeckt, die um sonnenähnliche Sterne kreisen“, so Lin. „Mit neuen Superteleskopen werden sie zunehmend auch erdähnlichere Trabanten aufspüren können. Die Planetenfoscher haben vermutlich erst begonnen, die Vielfalt der planetaren Welten in diesem Universum zu erkunden.“ Während sie nämlich bislang auf das Sonnensystem angewiesen waren, stehen ihnen heute Dutzende voll entwickelter Planetensysteme zur Verfügung, anhand derer sie ihre Theorien testen können.