Aus: Gehirn&Geist, Mai 2008
Manche Menschen sind geradezu süchtig nach Neuem. Der Grund dafür liegt – im Gehirn.
Sie wollen immerzu neue, aufregende Erfahrungen machen und fürchten sich vor Langeweile – die »Novelty Seeker« (zu Deutsch »Neuheitssucher«). So tauften Psychologen jenen Menschenschlag, der extrem offen ist für alles Unbekannte und vor Unternehmungslust und Kontaktfreude sprüht.
Wie die aktuelle Ausgabe von Gehirn&Geist (5/2008) berichtet, liegt der Grund für die besondere Vorliebe im Gehirn: Novelty Seeker besitzen meist einen niedrigeren Spiegel an Dopamin, einem wichtigen Hirnbotenstoff. Das fand die Tübinger Neuroforscherin Iris Trochalla heraus.
Sehen wir zum Beispiel ein bislang unbekanntes Gesicht, sucht der Hippocampus – die Gedächtniszentrale im Kopf – zunächst nach Ähnlichem. Bei Fehlanzeige sendet er mittels des Botenstoffs Dopamin das Signal „Achtung, neu!“ an andere Areale. Verfügt ein Mensch grundsätzlich über wenig Dopamin, so ist er schneller von seiner Umgebung gelangweilt und strebt aktiv nach ungewöhnlichen Reizen.
Novelty Seeker leben allerdings gefährlich. Sie werden eher psychisch krank, trinken und rauchen mehr als der Durchschnittsbürger. Das Risiko sinkt jedoch mit zunehmendem Alter, wie die Psychologin Susan Branje von der Universität Utrecht 2007 zeigte: Ab dem 30. Lebensjahr nimmt, unabhängig von unserer persönlichen Veranlagung, unser Drang nach neuen Erfahrungen ab. Wir werden psychisch stabiler und ausgeglichener.
Welchen positiven Einfluss etwas überraschend Neues auf unsere Merkfähigkeit hat, untersuchten Daniela Fenker und Hartmut Schütze an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Zeigten sie Probanden vor einem Lernrätsel unbekannte Bilder, schnitten die Testpersonen beim späteren Abfragen besser ab als die Kontrollgruppe mit altbekannten Fotos. Darum raten Fenkel und Schütze Pädagogen, ihren Unterricht mit unbekannten Informationen zu beginnen und erst danach den alten Stoff zu wiederholen, um den Kindern das Einprägen zu erleichtern. So könnten die Resultate der Hirnforschung helfen, schulisches Lernen effektiver zu gestalten.