Mittwoch, 26. März 2008

Elektromagnetisches Spektrum - Shampoo, Sprite oder Sprengstoff?


















Terahertzastronomie: Im fernen Infrarot und im Submillimeterbereich wird das Weltraumobservatorium Herschel unter anderem tief in Sternentstehungsregionen blicken © Illustration Herschel: ESA, AOES Medialab, Hintergrund: NASA, ESA, STScl

Aus: Spektrum der Wissenschaft, April 2008

Eine halbe Ewigkeit lang waren Forscher nahezu blind für einen Teil des elektromagnetischen Spektrums: Terahertzwellen mit Frequenzen im Bereich von 0,3 bis 10 Billionen Schwingungen pro Sekunde. Diese Terra incognita wird nun allmählich erobert und eröffnet neue Perspektiven. In der Aprilausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet Wissenschaftsjournalist Gerhard Samulat, wie Forscher und Ingenieure die Terahertz-Lücke füllen.

Denn die Strahlung bietet faszinierende An- und Ausblicke: Plastik und Kunststoffe sind für dieses Licht zwischen dem fernen Infrarot und den Mikrowellen transparent, ebenso Textilien, Papier, Keramiken oder Mauerwerk. Mit Terahertzwellen lassen sich zudem chemische Verbindungen analysieren oder Biomoleküle zu charakteristischen Schwingungen anregen. Auch eine Datenübertragung mit deutlich höherer Informationsdichte als beim heute gängigen Wireless Local Area Network WLAN ist denkbar. Nicht zuletzt erlauben Terahertzwellen auch einen Blick in die Sternenentstehung im Universum.

Ganz konkrete Anwendungen werden beispielsweise von Martin Koch an der Technischen Universität Braunschweig untersucht. Er erprobt neue Verfahren für die Kunstoffindustrie: Charakteristische Reflektions- oder Absorptionsmuster sollen verraten, ob Additive, die zur Veredelung der Kunststoffe eingesetzt werden, stets homogen in der Rohmasse verteilt sind oder ob sich Luftblasen oder Einschlüsse bildeten. „Da hat die Terahertz-Strahlung ein Alleinstellungsmerkmal“, meint der Physikprofessor. „Weder mit Infrarot noch mit sichtbarem Licht komme ich durch die Schmelze hindurch“, erklärt er. „Und Mikrowellen haben nicht die notwendige Ortsauflösung.“

Auch für Kontrollen an Flughäfen oder anderen sicherheitsrelevanten Gebieten bietet sich Terahertzstrahlung an. Das Wachpersonal kann damit Verdächtigen aus der Ferne ansehen, ob sie gefährliche Gegenstände wie Messer oder Revolver unter der Kleidung verbergen, selbst wenn die Waffen nicht aus Metall sind. Auch Sprengstoffe oder Drogen lassen sich mit entsprechenden Geräten nachweisen, so Heinz-Wilhelm Hübers vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Es lässt sich sogar unterscheiden, ob eine Plastikflasche mit Shampoo, Limonade oder flüssigem Sprengstoff gefüllt ist. „Wir können in wenigen Sekunden auf eine Entfernung von knapp zwanzig Metern erkennen, ob da etwas Merkwürdiges ist“, erklärt der Terahertz-Experte.

Doch damit nicht genug der Ideen. An ultraschnellen Terahertz-Funknetzen arbeiten Wissenschaftler derzeit ebenfalls, denn mit Trägerfrequenzen ab 300 Gigahertz ließe sich binnen weniger Sekunden der Inhalt einer kompletten DVD übertragen. Sogar das Zeitalter der „TV-Terawelle“ wurde bereits eingeläutet.

Und natürlich profitiert auch die Astronomie von Terahertzwellen. Denn alle einfach gebauten chemischen Verbindungen wie Kohlenmonoxid, Wasser, HCN (Cyanwasserstoff oder Blausäure) und viele weitere besitzen Rotationsübergänge im Terahertzbereich. Deren Analyse hilft unter anderem, die Entstehung von Sternen aus gigantischen Molekülwolken näher zu untersuchen. Schon nutzt daher auch eine Reihe von Observatorien die vielversprechende Technik, darunter Sofia, das in einem Langstreckenflugzeug installierte Stratosphärenobservatorium für Infrarot-Astronomie.