Von neuen Methoden für Hirnaufnahmen erhoffen Mediziner sich zuverlässigere Prognosen
Bei Wachkomapatienten fällt der geringe Energieverbrauch in Hirnrindenregionen auf, die bei auf Wahrnehmung bezogenen kognitiven Leistungen und wohl auch bei bewusster Wahrnehmung zusammenarbeiten. Bild: Scientific American/Alice Y. Chen
Aus: Spektrum der Wissenschaft, März 2008
Patienten im Wachkoma sind völlig bewusstlos. Was die Angehörigen oft stark irritiert: Diese Menschen öffnen von selbst die Augen, liegen dann anscheinend wach da, bewegen sich auch manchmal und zeigen sogar Spontanregungen wie Stöhnen, Weinen, Lächeln oder Zähneknirschen. Doch Neurologen finden keinerlei Anzeichen irgendwelcher Hirntätigkeiten in höheren Zentren, die eine – wenn auch noch so geringe – geistige Aktivität vermuten lassen könnten. Demnach werden alle Verhaltensäußerungen eines Wachkomapatienten völlig unbewusst von niederen neuronalen Netzwerken erzeugt.
Allerdings kann der äußere Zustand täuschen. Manche Wachkomapatienten gleiten allmählich in einen Zustand minimalen Bewusstseins, wie die Mediziner sagen. Auch in diesem Zustand können die Patienten nicht Gedanken oder Gefühle ausdrücken oder kommunizieren. Doch unter Umständen erfolgen gelegentlich einige ihrer Bewegungen nicht mehr rein reflexhaft. Einzelne dieser Menschen kommen selbst nach Jahren wieder zu Bewusstsein, während das bei Wachkomapatienten erfahrungsgemäß nicht geschieht. Umso wichtiger ist es, dass Ärzte diesen Zustand zuverlässig diagnostizieren können. Doch das ist bisher auch mit den modernsten Verfahren gar nicht einfach.
Der belgische Neurologe Steven Laureys von der Universität Liège schildert in der März-Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft“ neue Forschungsergebnisse zur Hirnaktivität von Wachkomapatienten und Menschen im Zustand minimalen Bewusstseins. Die neuesten bildgebenden Verfahren lassen teils – etwa bei gezielter Stimulation wie durch einen Schmerzreiz an der Hand – tatsächlich große Unterschiede erkennen. Bei Wachkomapatienten reagieren dann ausschließlich niedere Hirnregionen. Im Zustand eines minimalen Bewusstseins sprechen dagegen auch höhere Gebiete an. So werden manchmal bei einem Hörreiz neuronale Netze der Sprachverarbeitung aktiv – auch wenn man dem Patienten äußerlich nichts anmerkt. Nur im Hirnbild ist deutlich zu erkennen, dass offensichtlich höhere Zentren in gewissen Situationen wieder kommunizieren können.
Laureys beschreibt auch die noch viel schwierigeren Diagnosen bei Wachkomapatienten, die den Zustand minimalen Bewusstseins noch nicht erreicht haben, aber doch einzelne geringe Hirnregungen zeigen – die etwa bei einer vertrauten Stimme oder wenn jemand ihren Namen ruft charakteristische Hirnmuster aufweisen, bei anderen Reizen aber nicht. Allein neurologisch deutet sich dann an, dass dieser Patient das reine Wachkoma vielleicht bald verlassen könnte. Doch Laureys warnt auch vor zu hohen Erwartungen. Nur wenige Betroffene kommen wieder zu einem vollen Bewusstsein. Auch für Wachkomapatienten sind die Aussichten in den ersten Wochen bis Monaten am besten.