Donnerstag, 20. Dezember 2007
Leitammonit beweist hohes Alter der Wattendorfer Plattenkalke
Prachtfund aus den Wattendorfer Plattenkalken: 132 cm langer Engelhai
Foto: Naturkundemuseum Bamberg
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Interview mit dem Paläontologen Dr. Matthias Mäuser, Leiter des Naturkundemuseums Bamberg in Bayern. Er erforscht seit dem Jahr 2004 die in der Gegend des oberfränkischen Dorfes Wattendorf im Landkreis Bamberg entdeckten Wattendorfer Plattenkalke, die als die ältesten Plattenkalke aus der Oberjurazeit in Mitteleuropa gelten. Bei diesen Plattenkalken handelt es sich um Meeresablagerungen.
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Frage: Herr Dr. Mäuser, woher weiß man, dass die Wattendorfer Plattenkalke älter sind als die weltberühmten Solnhofener Plattenkalke in Bayern?
Antwort: Das wissen wir aufgrund des Auftretens von Aulacostephanus eudoxus in den Wattendorfer Plattenkalken (freundliche Bestimmung durch Dr. G. Schweigert vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart), ein Leitammonit, der die Wattendorfer Plattenkalke zeitlich in das frühe Oberkimmeridge stellt. Alle anderen vergleichbaren Oberjura-Plattenkalke, die ihrerseits wieder untereinander zeitlich differieren, wurden später abgelagert, wie Leitammoniten belegen.
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Frage: Wie viele Millionen Jahre sind die Wattendorfer Plattenkalke älter als die weltberühmten Solnhofener Plattenkalke, in denen unter anderem Urvögel (Archaeopteryx), Flugsaurier (Pterodactylus, Rhamphorhynchus) und Dinosaurier (Compsognathus, Juravenator) zum Vorschein kamen?
Antwort: Das kann man exakt nicht beantworten. Es mögen eine Million Jahre sein, vielleicht ist es aber auch weniger.
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Frage: Die Entdeckung der Wattendorfer Plattenkalke hat die bislang bekannte Verbreitung von Plattenkalken des „Solnhofener Typs“ rund 130 Kilometer nach Norden verschoben – heißt dies, dass das Oberjurameer sich weiter nach Norden ausdehnte, als man glaubte?
Antwort: Nein. Das Oberjurameer reichte noch viel weiter nach Norden, bis zum Skandinavischen Schild. Der Wattendorfer Plattenkalk belegt jedoch, dass die besonderen Bedingungen, die zur Bildung solcher Gesteine Voraussetzung waren, auch im Gebiet der heutigen Nördlichen Frankenalb gegeben waren.
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Frage: Bei den Wattendorfer Plattenkalken handelt es sich um Ablagerungen eines Meeres, das in der Oberjurazeit teilweise Süddeutschland entdeckte – war das Festland nicht mehr weit entfernt von Wattendorf?
Antwort: Die Begrenzung der umgebenden Festländer kann man nicht exakt umreißen. Gegen Norden erstreckten sich die Ausläufer der Mitteldeutschen Schwelle, im Osten erhob sich die noch schwerer zu fassende Böhmische Insel. Sicherlich gab es zahlreiche kleinere Inseln, die über das flache Schelfmeer hinausragten. Auf jeden Fall belegen die Fossilien von Landlebewesen, dass Land nicht weit entfernt lag.
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Frage: Kennt man die Ausdehnung und die Mächtigkeit der Wattendorfer Plattenkalke?
Antwort: Die Wattendorfer Plattenkalke bilden eine Wechsellagerung von gradierten, gröberen Riffschuttlagen und feinkörnigen, laminierten Plattenkalken. Diese Abfolge ist im Wattendorfer Bruch auf rund 8 Metern aufgeschlossen. Ob sie zum Zentrum der „Wattendorfer Wanne“ noch an Mächtigkeit zunimmt, kann man noch nicht beantworten. Die exakte Ausdehnung dieser Wattendorfer Wanne lässt sich nicht genau festlegen, da weite Flächen der Erosion zum Opfer gefallen sind. Es waren jedoch mehrere Kilometer Durchmesser.
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Frage: Sind bei Ihren Grabungen in den Wattendorfer Plattenkalken ausschließlich Meerestiere oder auch Landtiere oder fliegende Tiere zum Vorschein gekommen?
Anwort: Zum überwiegenden Teil sind es natürlich Meeresorganismen. Jedoch finden sich auch Landpflanzen, die in gewissen Schichten angereichert vorliegen. Der Fund einer Landeidechse belegt ebenfalls Festlandsnähe.
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Frage: Es heißt, der Fossilreichtum der Wattendorfer Plattenkalke erweitere den Blick in die obere Jurazeit – wie viel Pflanzen- und Tiergattungen hat man bisher entdeckt?
Antwort: Bislang können rund 80 Taxa unterschieden werden. Das erscheint nicht viel. Bedenkt man jedoch, dass es sich dabei um das Ergebnis von erst vier Grabungskampagnen handelt, während derer aufgrund der akribischen Grabungsmethode keine sehr großen Mengen an Gestein untersucht werden können, ist es viel. Es ist auch zu erwarten, dass sich die Artenvielfalt während hoffentlich folgender zukünftiger Grabungen noch deutlich erhöhen wird.
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Frage: Können in den Wattendorfer Plattenkalken noch unbekannte Tierarten entdeckt werden?
Antwort: Da die Wattendorfer Plattenkalke älter sind, als andere Plattenkalke, liegen sicherlich zahlreiche neue Arten vor. Gerade bei den Fischen zeichnet sich dies ab, weshalb Bestimmungen bislang bestenfalls zur Gattungsebene erfolgt sind.
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Frage: Sie haben den kleinsten Raub-Dinosaurier der Erde namens Compsognathus aus den Solnhofener Plattenkalken erforscht – könnte ein solcher auch in den Wattendorfer Plattenkalken ans Tageslicht kommen?
Antwort: Dass ich Compsognathus erforscht hätte, trifft nicht zu. Ich habe lediglich vor Jahren eine außergewöhnliche Theorie zu dem Fossil publiziert. Die Chance, ein vergleichbares Fossil in Wattendorf zu finden, ist klein, aber durchaus gegeben.
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Frage: Besteht die Hoffnung, dass in den Wattendorfer Plattenkalken eine bisher unbekannte Gattung oder Art entdeckt wird, die man nach dem 216-Einwohner zählenden Dorf Wattendorf am Rand der Fränkischen Schweiz benennen könnte?
Antwort: Warum nicht?
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Frage: Wem ist die Entdeckung der Wattendorfer Plattenkalke zu verdanken?
Antwort: Den Stein ins Rollen gebracht hat Thomas Bechmann, Präparator am Bamberger Naturkunde-Museum. Er hat auf einem seiner Wochenend-Geländegänge den großen Fund gemacht. Gleichwohl wurden schon eine gewisse Zeit vorher von Privatsammlern Plattenkalkfossilien in Wattendorf geborgen. Im Übrigen beschreibt auch schon Altmeister C. W. von Gümbel in seinem Werk „Geognostische Beschreibung des Königreichs Bayern“ (1891) vom Wattendorfer Gebiet Gesteine, die deutlich an die Solnhofener Plattenkalke erinnern. Nur gab es damals kaum Aufschlüsse, nur Lesesteine.
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Frage: Können im „Naturkundemuseum Bamberg“ bereits Funde aus den Wattendorfer Plattenkalken bewundert werden?
Antwort: Seit kurzem präsentieren wir einen hervorragend erhaltenen Engelhai aus Wattendorf mit der stolzen Länge von 132 cm. Seine aufwändige Präparation wurde von den zehn Bamberger Brauereien finanziert. Wir müssen manche Stücke aus Wattendorf zur Präparation außer Haus geben, da unser Präparator Thomas Bechmann die große Menge der Fossilien nicht alleine bewältigen kann. Derzeit arbeitet er noch an einer rund 60 cm langen Schildkröte aus Wattendorf, die alleine mehrere Hundert Stunden Arbeitszeit verschlingt. Zusätzlich liefern noch zwei Sondervitrinen einen kleinen Überblick des bislang geborgenen Fundspektrums.
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Die Fragen für das Interview stellte der Wiesbadener Journalist Ernst Probst, Betreiber der Weblogs http://fossilien-news.blog.de und http://wissenschafts-news.blog.de
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