Ein Berliner Forscher suchte nach einer besonders exotischen Lebensform. Er fand sie im Inneren von Steinen.
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Wiesbaden (welt-des-wissens) - Wer jemals Michael Endes Film „Die unendliche Geschichte“ gesehen hat, wird sich unweigerlich über den riesigen „Steinbeißer“ mit seinen „großen, starken Händen“ amüsiert haben. Sein Speiseplan enthielt unter anderem „köstlichen Granit“ mit einer „Prise Feldspat gewürzt“ oder „leckeren, frischen Quarz“. Und wenn „Steinbeißer“ sich labte, war volle Deckung angesagt. Denn das Fabelwesen war zugleich ein „Krümelmonster“, und die umher fliegenden Reste hatten immer noch die Dimension von schweren Felsbrocken. Ein nettes Märchen, denn die Natur hat keine Steinbeißer vorgesehen, auch wenn der Name eines bekannten Edelfisches Unvoreingenommene auf die falsche Fährte locken könnte.
Stimmt das wirklich? Nein – denn die Natur hat zumindest „Mini-Steinbeißer“ geschaffen – die Endolithe. Das sind Lebewesen, die ausgerechnet im Innern von Gesteinen eine ökologische Nische gefunden haben. Wie ist das in einem „mineralischen“ Milieu überhaupt möglich? Die verblüffende Antwort: Endolithe verfügen über einen außergewöhnlichen Stoffwechsel der es ihnen erlaubt, ihre zum Leben notwendige Energie aus der Umwandlung anorganischer Verbindungen zu beziehen.
Katzengold als „Stammgericht“
Die Nahrungsquellen dieser Organismen erinnern durchaus an Michael Endes Steinbeißer, denn ihr Appetit konzentriert sich auf die in dem Gestein enthaltenen Mineralien wie Schwefel-, Eisen- und Manganverbindungen, vereinzelt sind sie aber auch an Uran- oder Arsenverbindungen interessiert. Die „stärkste Fraktion“ unter den Endolithen bilden Schwefel oxidierende Bakterien, denn Schwefel ist ein recht häufiges Element in der Erdkruste. Er findet sich in vielen Mineralien wie zum Beispiel Pyrit, einem häufigen Eisen-Schwefel-Mineral mit der chemischen Formel FeS2. Durch seine Farbe und Glanz wurde Pyrit früher von den Bergleuten oft mit Gold verwechselt, was ihm den Beinamen „Katzengold“ oder „Narrengold“ einbrachte.
Schwefeloxidierende Bakterien wie Acidithiobacillus ferrooxidans oxidieren unter aeroben Bedingungen Schwefel zu Sulfat und reduzieren dreiwertiges zu zweiwertigem Eisen. Diese Redoxreaktion liefert genug Energie zur Aufrechterhaltung der Lebensprozesse. Im Arbeitskreis von Professor Wolfgang Lubitz vom Max-Volmer-Institut für Biophysikalische Chemie und Biochemie der Technischen Universität Berlin wurde das katalytische Zentrum von Acidithiobacillus ferrooxidans untersucht. Dabei wurde eine auf Nickel und Eisen basierende Hydrogenase nachgewiesen, welche den gewöhnlichen Hydrogenasen ähnelt. Neben den für die „Standard-Hydrogenasen“ charakteristischen Eigenschaften zeigte die von Acidithiobacillus ferrooxidans einige Besonderheiten wie zum Beispiel die Lichtempfindlichkeit des oxidierten Zustandes. Dieser Effekt wurde von den Forschern durch die Existenz eines photolabilen Liganden in der verbrückenden Position zwischen dem Nickel und dem Eisen erklärt. Beim Stoffwechsel konkurrieren die lithotrophen Mikroorganismen grundsätzlich mit spontan ablaufenden chemischen Reaktionen. Dank ihrer Enzyme sind sie jedoch in der Lage, die diese Reaktion in der Zelle durch Herabsetzung der Aktivierungsenergie erheblich beschleunigen. Endolithe sind deshalb meist für schnellere Verwitterung und Korrosion verantwortlich.
Die umgewandelten Mineralien besitzen andere Löslichkeitseigenschaften als die ursprünglichen. Der oxidierte Schwefel zum Beispiel löst sich als Sulfat in Wasser und bildet sowohl Schweflige Säure als auch Schwefelsäure. Die hierdurch bewirkte Absenkung des pH-Wertes löst wiederum andere Mineralien aus dem Gestein. Sickerwässer aus Bergbauhalden sind aus diesem Grunde oft stark versauert und mit gelösten Schwermetallen belastet. Diesen Effekt macht man sich beim Bioleaching einem speziellen Bergbauverfahren für geringwertige Erze zu Nutze. Aber auch bei der Sanierung belasteter Böden hat sich die Methode bereits bewährt.
Da Bakterien sogar in den weltweit tiefsten Minen gefunden worden sind, sind die meisten Mikrobiologen davon überzeugt, dass in den Tiefen der Lithosphäre ein weitgehend unerforschter Lebensraum existiert, der einen beträchtlichen Teil der Biomasse unseres Planeten in Form von Mikroorganismen enthält.
Quelle: Rolf Froböse, „Wenn Frösche vom Himmel fallen – die verrücktesten Naturphänomene“. (Wiley-VCH, 2007). Jetzt im Handel.
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